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Viele Ursachen – ein Ergebnis – tot

Autor:
Manfred Piepiorka
Verlag:
Fabuloso Verlag
Erscheinungsjahr:
2023
Sonstiges:

Paperback
ISBN 978-3-949150-25-8
Preis: 16,80 €
Zeichnungen von Manfred Piepiorka

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Leseprobe

Die Frau mit dem Spiegel


Habt ihr möglicherweise mal von ihr gehört? Sie selbst viel­leicht gesehen? Seid ihr der Frau womöglich persönlich begegnet? Der Frau mit dem Handspiegel? Ja, mit genauso einen Spiegel, wie der, den Till Eulenspiegel nutzte?

Nein? Weder noch? Nie von Frau Katharina-Elisabeth Fragnach erfahren? Na ja … eigentlich kein Wunder. Man hat sie vor einiger Zeit dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik zwangseingewiesen. Warum, das kann ich euch recht genau berichten. Aber das nimmt etwas Zeit in Anspruch.

Wisst ihr, einige Situationen erlebte ich damals persönlich, das andere konnte ich im Laufe der Zeit stückchenweise in Erfahrung bringen. Es ergab sich eine geradezu erstaunliche Geschichte. Ich brenne darauf, euch von dieser wunderlichen Frau erzählen zu können.

Wo beginne ich? Am besten mit ihrer Beschreibung. Katha­rina-Elisabeth Fragnach – im Grunde ist sie ein weiblicher Durchschnittsmensch. Altersmäßig stand sie damals be­reits weit in ihrem 6. Lebensjahrzehnt. Eine nicht besonders hoch gewachsene Person. Na ja, vielleicht 1,60m groß. Relativ schlank und vermutlich knapp 55 kg schwer. Insgesamt eine eher zierliche Erscheinung.

Das schmale Gesicht mit den stets freundlich blickenden hellblauen Augen wurde von über die Schultern fallenden, rotbraunen Haaren umrahmt. Dem kleinen Mund lag zu jeder Zeit ein Lächeln auf den dünnen Lippen. Die Nasenflügel der zierlichen Nase vibrierten unablässig. Gesprächspartner irritierten diese Schwingungen hin und wieder.

Meistens trug Katharina-Elisabeth schlichte, einfarbige Hosen, die sie abwechselnd mit hellen Blusen oder Rollis kombinierte. Ihre Füße steckten im Sommer und im Winter stets in unauffälligen Turnschuhen. Oft hüllte sich die Frau in einen altmodischen, sandgrauen Trenchcoat. Eine Handtasche nutzte sie offenbar nie. Kleingeld und einige Scheine verstaute sie in den Taschen der Hosen oder des Mantels.

Egal, was Frau Fragnach unternahm, man sah sie nie ohne ihren Handspiegel. Allgemein hielt sie diesen in der linken Hand etwa in Kopfhöhe. Die meisten Menschen, die Frau Fragnach zum ersten Mal begegneten, rea­gierten befremdet, wenn sie mitbekamen, dass Katharina-Elisabeth mit ihrem Spiegelbild kommunizierte. Wobei … kommunizierte? Nein, es war immer nur ein Monolog. Ein Spiegel kann ja nicht antworten.

Oder doch? Wer weiß …

Jedenfalls machte Frau Fragnach ihrem Namen oft genug alle Ehre. Viele Angelegenheiten und Erledigungen erzählte sie ihrem Spiegel und erbat eine Entscheidungs­hilfe. Ja, sie fragte nach, ob sie dieses oder jenes tun solle oder lieber nicht. Manchmal wiederholte sie rhetorisch die ihr scheinbar erteilte Antwort.

Ich erinnere mich, dass ich der Frau zum ersten Mal in der Fußgängerzone der Stadt begegnete, in der ich seiner­zeit berufsbedingt lebte. Es goss an jenem Tag in Strömen. Mein Regenschirm konnte den Wassermassen kaum Paroli bieten. Frau Fragnach störte es dagegen überhaupt nicht, dass ihr das Wasser von den glatt am Kopf herabhängenden, tropfnassen Haaren in den Kragen des Trenchcoats lief. Mit relativ vergnügt klingender Stimme sprach sie in Richtung ihres in Augenhöhe gehaltenen Spiegels: „Ach, was denn, Schätzchen? Du weißt, ich bin kerngesund. Was macht das bisschen Feuchtigkeit da denn schon aus? Warum sollte ich an eine Erkältung denken. Nein, nein meine Liebe, ich werde nicht krank, ganz gewiss nicht.“

Nicht aus Neugier, sondern weil sie diese ebenfalls nutzte, folgte ich der Frau einige Straßenzüge weit. Sie legte ein recht zügiges Tempo vor. Mehrmals kam ich ihr, wenn sie in eine neue Straße einbog, sehr nahe. Dabei vernahm ich Fragen an den Spiegel und einige der von ihr wiederholten Antworten.

Hin und hergerissen zwischen Befremdung, Belustigung und einer Art Mitleid wusste ich nicht genau, wie ich die Szenerie einordnen sollte. In diversen Gesprächen erfuhr ich später, dass diese Frau quasi längst als ein Original ange­sehen wurde. Kaum jemand störte oder verwunderte sich ob ihres eigentümlichen Verhaltens. Es war halt ihr Markenzeichen. Außerdem – wem hätte es schaden können? …

Natürlich werde ich hier nicht das Ende erklären!
Rezension

Klappentext

Und wieder hat Manfred Piepiorka seine mörderische Feder über die Blätter spielen lassen.
In kurzweiligen aber auch nachdenklich machenden Krimis haben die Mörder viele Gesichter:
Ein Mörder, von einer Frau beauftragt,ist erfolgreich. Ein Rächer schmiedet einen (fast)perfekten Plan.
Auch Frauen können morden und das so geschickt, dass sie nie gefasst werden oder doch?
Viel Spaß beim Lesen der kurzweiligen Mörderjagden.
(Marianne Stegmaier)

Einstimmung

Es ist eine Tatsache – alle Lebewesen unserer Welt müssen einmal sterben – ein natürlicher Vorgang. Dazu gehört auch „fressen und gefressen werden“.
Im Gegensatz zu den Tieren ist das Sterben bei den Menschen vielfältiger: Neben den natürlichen Todesursachen gibt es zum Beispiel – im schlimmsten Fall – die kriegerischen Aktionen, im „Kleinen“ den Suizid, die Rache, den Mord und dem Verlangen/der Bosheit, anderen irgendwie zu schaden. 
Der Autor Manfred Piepiorka greift in seinen Geschichten diese Aspekte auf. Seine Krimis könnten unterschiedlicher nicht sein. Angefangen von den Motiven: Es wird aus Verzweiflung gemordet, fast aus Notwehr. Kaltblütig wird ein Mordauftrag erfüllt. Ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung wird in seinem Wahn zum Mörder. Auch lassen perfide Rachepläne beim Leser keine Langeweile aufkommen.
Aber auch die Mörder haben vielfältige Charaktere: Der eine ist von Rache besessen, der andere ein eiskalter Auftragskiller. Ein Mensch, der sich von seinem Peiniger befreit und einen ausgeklügelten Plan in die Tat umsetzt. Und dann gibt es noch den Selbstmörder, der seinen Suizid raffiniert inszeniert.
Die Orte der Handlungen sind ebenfalls sehr vielfältig: Ein Herrenhaus, ein verwahrlostes Fachwerkhaus in einem kleinen Dorf irgendwo in der Provinz, eine Kleinstadt im Norden von Europa, an einem Teich und an so manch anderem Ort.
Ich wünsche dem Leser viel Spaß bei der Lektüre der kurzweiligen Mörderjagden.

Marianne Stegmaier, 25.09.2023 Berlin